Interview mit Harnstein-Expertin Barbara Contzen
Harnsteine sind sehr lästig und schmerzhaft. Und leider sind sie oft „Wiederholungstäter“. Bei 50 Prozent der Harnstein-Patienten entwickelt sich innerhalb von zehn Jahren wieder ein Stein. Was kann man also tun, um diesen Kreislauf zu durchbrechen oder gar nicht erst Harnsteine zu entwickeln? Diese und andere Fragen beantwortet die Harnstein-Expertin Barbara Contzen und gibt zudem sechs praktische natürliche Tipps.
Was sind Harnsteine und wie entstehen sie?
Contzen: Harnsteine sind auskristallisierte Ablagerungen im Harn. Im Gegensatz zu Nierensteinen im Nierenbecken, befinden sich Harnsteine etwas tiefer in den ableitenden Harnwegen. Harnsteine entstehen, wenn bestimmte Stoffe sich im Harn nicht mehr lösen, sondern zu steinartigen Gebilden werden. Vergleichbar ist dieser Effekt mit dem Auflösen von Zucker im Tee. Bei zu viel Zucker in der Teetasse hört man die Kristalle, die sich nicht mehr im Tee auflösen und es knirscht in der Tasse.
Wodurch kommt das und was sind die Risikofaktoren?
Contzen: Zu wenig trinken ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Bildung von Harnsteinen. Um im Bild zu bleiben: Je mehr Tee ich in der Tasse habe, desto mehr Zucker kann ich darin auflösen. Wobei es hier natürlich nicht um Tee geht, sondern um genügend Flüssigkeit im Harn. Und bei den Harnsteinen handelt es sich nicht um Zucker, sondern zum Beispiel um Oxalsäure oder Harnsäure. Ist von diesen Stoffen zu viel vorhanden, steigt die Gefahr, dass sie Steine bilden.
Auch genetische Faktoren oder Erkrankungen, die dazu führen, dass man Flüssigkeit verliert oder dass steinbildende Stoffe vermehrt auftreten, erhöhen das Risiko für Harnsteine. Zudem können Übergewicht, Diabetes und andere Stoffwechselerkrankungen die Steinbildung begünstigen.
Wie kann man Harnsteinen natürlich vorbeugen?
Contzen: Harnsteine sind eigentlich keine Erkrankung, sondern nur das Symptom, dass im Körper etwas nicht optimal läuft. Essen und Trinken spielen eine wichtige Rolle, da alles, was wir in den Körper bringen, irgendwann wieder ausgeschieden werden muss – sei es über den Darm oder die Niere. Gute Maßnahmen, um Harnsteine zu vermeiden, sind: Ausreichend trinken, eine abwechslungsreiche Ernährung mit vielen frischen Zutaten, Verzicht auf Extremdiäten, Normalgewicht, ein aktiver Lebensstil und genug Entspannung.
Warum sind gerade Getränke wichtig?
Contzen: Getränke sind noch wichtiger als das Essen. Das wird deutlich an unserem Tee-mit-Zucker-Beispiel: Je mehr ich trinke, desto besser lösen sich der Zucker beziehungsweise die steinbildenden Stoffe. Um Steine zu vermeiden, sollte man mindestens 1,5 Liter am Tag trinken. Wer viel schwitzt oder anderweitig Flüssigkeit verliert, kann auch bis zu drei Liter am Tag brauchen. Hauptsache, der Urin ist hell. Bei bernsteinfarbenem Urin ist mehr Trinken angesagt.
Was sollte man trinken?
Contzen: Tatsächlich kommt es nicht nur auf die Menge, sondern auch auf die Art der Getränke an. Denn die häufigsten Harnsteine bilden sich bei relativ saurem Harn. Hier sind Wässer mit viel Hydrogencarbonat ideal, denn sie liefern nicht nur Flüssigkeit, sondern können zugleich den Harn alkalisieren, also weniger sauer machen. Dadurch können zum Beispiel Calcium-Oxalat und Harnsäure am Auskristallisieren gehindert werden. Einige seltenere Steine entstehen dagegen eher in basischem Harn. Dann ist Ansäuern angesagt, um Harnsteine zu verhindern, wozu ein Wasser mit viel Sulfat beitragen kann. So hilft die Wahl des richtigen Wassers, das Risiko für Harnsteine auf natürliche Weise zu senken.
Ein Vorteil an Mineral- und Heilwässern ist, dass sie – je nach Zusammensetzung – wichtige Stoffe zum Alkalisieren oder Ansäuern des Harns mit der nötigen Flüssigkeitszufuhr kombinieren. Sie können die Vorbeugung von Harnsteinen viel gleichmäßiger unterstützen, da sie – anders als Tabletten – über den ganzen Tag verteilt getrunken werden. Zugleich liefern sie wichtige Mineralstoffe ganz ohne Kalorien. Nicht zuletzt sind viele Heilwässer ausdrücklich zur Vorbeugung von Harnsteinen zugelassen. Passende Heilwässer kann man unter „Heilwasser finden“ auf der Website www.heilwasser.com auswählen.
Was ist bei Calcium-Oxalat-Harnsteinen zu beachten?
Contzen: Calcium-Oxalat-Harnsteine sind mit einem Anteil von 70 bis 80 Prozent der bei weitem häufigste Steintyp. Wie der Name schon sagt, sind es Komplexe aus Calcium und Oxalsäure, die diese Steine bilden. Oxalsäure kommt in Lebensmitteln wie Rhabarber, Spinat, Rote Bete oder Tomaten vor. Sie erzeugt das typische pelzige Gefühl auf der Zunge. Um die Steinbildung zu verhindern, sollte man diese Lebensmittel eher meiden, ebenso wie die entsprechenden Säfte. Die Calciummenge sollte dagegen nicht reduziert werden, denn der Körper benötigt Calcium. Mein Tipp: Zu oxalsäurehaltigen Lebensmitteln calcium- oder auch magnesiumreiche Speisen zu essen, zum Beispiel Quark oder einen Pudding zum Rhabarberkompott. Denn dann bindet Calcium oder Magnesium die Oxalsäure bereits im Darm und bildet Komplexe, die nicht über den Darm ins Blut aufgenommen werden können. So gelangt die Oxalsäure nicht via Blut zur Niere und auch nicht in den Harn, sondern wird über den Stuhl ausgeschieden, wo sie keinen Ärger bereitet.
Was ist bei Harnsäuresteinen zu beachten?
Contzen: Mit einem Anteil von 10 % sind Harnsäuresteine der zweithäufigste Steintyp. Harnsäure entsteht im Körper beim Abbau von Purinen aus der Nahrung und durch den Abbau von Körperzellen. Vor allem tierische und eiweißreiche Lebensmittel können viele Purine enthalten. Deshalb empfiehlt sich eine überwiegend pflanzliche Ernährung. Allerdings liefern auch Sojabohnen und andere Hülsenfrüchte eine Menge Purine. Zudem kann auch zu viel Fruchtzucker zu Harnsäure umgebaut werden. Nicht zuletzt führt der Zellabbau bei strengen Diäten zu mehr Harnsäure. Deshalb sollte keine zu schnelle Gewichtsabnahme erfolgen, wenn eine Veranlagung zu Harnsäuresteinen besteht. Da besonders die Innereien und die Haut bei Geflügel und Fisch purinreich sind, kann man diese entfernen und das nur Fleisch essen.
Natürliche Tipps gegen Harnsteine
von Harnstein-Expertin Barbara Contzen
- Unbedingt genug trinken, also mindestens 1,5 Liter pro Tag. Eine gute Kontrolle, ob man ausreichend getrunken hat, ist die Farbe des Urins: auf hellen Urin achten. Wer sich schwer tut mit der Flüssigkeitszufuhr, kann morgens ein bis zwei Flaschen hinstellen und sie bis zum Abend austrinken. Auch Trinkwecker am Handy können ans regelmäßige Trinken erinnern.
- Ideal sind passende Mineral- und Heilwässer. Sie liefern viel Flüssigkeit aus natürlichen Quellen. Viele Heilwässer sind sogar ausdrücklich zugelassen zur Vorbeugung von Harnsteinen – das steht dann auf dem Etikett. Denn Hydrogencarbonat-Heilwässer können z. B. bei Calcium-Oxalat- oder Harnsäuresteinen helfen, den Harn basischer zu machen. Bei Calciumphosphat- oder Infektsteinen können dagegen sulfatreiche Heilwässer helfen, den Harn anzusäuern. Viele Mineral- und Heilwässer enthalten zudem größere Mengen an Calcium und Magnesium, die Oxalsäure schon im Darm binden können. Passende Heilwässer kann man auf www.heilwasser.com finden.
- Idealerweise sollte man den Harnsteintyp bestimmen lassen, denn dann kann man gezielt behandeln und weiteren Steinen vorbeugen. Die Bestimmung erfolgt über die Arztpraxis bei einem medizinischen Labor.
- Bunt, frisch und gesund essen, aktiv leben und Übergewicht abbauen sind ebenfalls hilfreich, damit der Stoffwechsel gut läuft und nicht zu viele steinbildende Stoffe anhäuft.
- Calcium-Oxalat-Steine: Wichtig ist, oxalsäurehaltige Lebensmittel und Säfte nur in geringen Mengen zu verzehren. Und wenn, dann kombiniert man sie am besten mit calcium- oder magnesiumreichen Lebensmitteln, um die Oxalsäure bereits im Darm zu binden, so dass sie nicht in den Harn gelangt. Empfohlene Calciummenge von 1.000 mg pro Tag unbedingt einhalten.
- Harnsäuresteine: Weniger tierische Lebensmittel und mehr pflanzliche Kost essen. Dabei jedoch nicht zu viel Fruchtzucker, Sojabohnen und Hülsenfrüchte verzehren. Bei Geflügel und Fisch die Haut abziehen, um den Puringehalt zu senken. Auf strenge Diäten verzichten und beim schnellen Abnehmen möglichst viel trinken, um die entstehende Harnsäure zu verdünnen.
Übersicht der verschiedenen Harnsteintypen
Steintyp (Häufigkeit/Anteil) | Inhaltsstoff | Wirkweise | Empfehlungen |
Calciumoxalat-Harnsteine (ca. 75 %) | Hydrogencarbonat Magnesium | Harn alkalisieren bzw. neutralisieren, Zitratausscheidung fördern, Risiko der Ausfällung von Calciumoxalat senken Oxalat binden, Risiko der Ausfällung senken | Hydrogencarbonat-Heilwässer mit Magnesium, Aufnahme von Oxalsäure reduzieren, Calciumzufuhr von 1.000 mg pro Tag einhalten, Calcium-reiches Wasser zu Oxalsäure-haltigen Lebensmitteln bindet Calciumoxalat bereits im Darm |
Harnsäuresteine (ca. 10 %) | Hydrogencarbonat | Harn alkalisieren bzw. neutralisieren, Löslichkeit erhöhen | Hydrogencarbonat-Heilwässer, pflanzliche und purinarme Kost |
Cystinsteine (selten, genetisch) | Hydrogencarbonat | Harn alkalisieren bzw. neutralisieren, Löslichkeit erhöhen | Hydrogencarbonat-Heilwässer, Harnvolumen über 3,5 l pro Tag. Harn-pH- über 7,5 |
Infektsteine, Calciumphosphat-, Calciumkarbonat und Struvitsteine | Sulfat | Harn ansäuern, Löslichkeit erhöhen | Sulfat-Heilwässer mit wenig Hydrogencarbonat |
Alle Harnsteine | Wasser | Harn verdünnen und Harnwege durchspülen | 2,5 bis 3 Liter täglich trinken, vor allem (Heil-)Wasser |
Steine unklarer Zusammensetzung | Kohlensäure | Ausscheidung des Harns fördern | Heilwässer mit Kohlensäure |
Barbara Contzen
Barbara Contzen ist staatlich anerkannte Diätassistentin und arbeitet seit vielen Jahren interdisziplinär in der Ernährungstherapie.
Ihr Schwerpunkt ist die Ernährungstherapie bei chronischer Niereninsuffizienz.